Im Juni 2021 besuchten wir in kleiner Gruppe mit der Medienwerkstatt die Insel Hiddensee gemeinsam mit Sabine Reichwein, Matthias Schellenberger, Reiner Ulig, Ahmad Kanaan, Sofie Beefetz, Tom Sperling und Ulla Giesler. Geplant war eine Fahrt mit Schüler*innen der Adolf Reichwein Schule, was Pandemie bedingt nicht möglich war. So nutzen wir den Aufenthalt zum Putzen der Stolpersteine für die von den Nazis umgebrachten, bzw. in den Tod getriebenen jüdischen Künstler*innen auf Hiddensee, zur Vorrecherche für ein Schulprojekt im kommenden Jahr und als Dank für unsere engagierte Freiwillige im Schuljahr 2020/21 Sofie Beefeltz sowie Ahmand Kanaan, der als ehemailger FSJler weiterhin die Medienwerkstatt ehrenmatlich unterstützt. Allen sei von Herzen gedankt!

Ein paar Fakten: 

Das sogenannte „Goldene Zeitalter“ begann auf Hiddensee um 1900 und wenig später kam die Malerin Elisabeth Büchsel zum ersten Mal hierher. Auch Malerinnen wie Julie Wolfthorn, Käthe Löwenthal, Clara Arnheim, Elisabeth Andrae und Dorothea Stroschein weilten auf der Insel. 1919 gründeten Henni Lehmann und Clara Arnheim den „Hiddensoer Künstlerinnenbund“, ein einzigartiger Zusammenschluss von Malerinnen in einem Badeort. 

Henni-Lehmann-Haus auf Hiddensee: Die Villa wurde 1907 durch den Architekten Paul Ehmig für Henni Lehmann entworfen. Seit 1999 wird das einstige Sommerhaus als Bibliothek, Veranstaltungs- und Ausstellungsraum genutzt. In direkter Nachbarschaft befindet sich die Blaue Scheune, die Henni Lehmann für die Ausstellungen des Hiddensoer Künstlerinnenbundes kaufte.

Blaue Scheune: Die ehemalige Scheune des gegenüber befindlichen Bäckers wurde ab 1919 Atelier- und Ausstellungshaus für den Hiddensoer Künstlerinnenbund. Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten musste der Bund seine Tätigkeit einstellen, da viele Mitglieder Jüdinnen waren. 1955 erwarb es der Dresdner Maler Günter Fink, der das Haus in der Tradition der Malerinnen fortführte. Während der Sommermonate ist eine Besichtigung möglich.

Hexenhaus von Adolf Reichwein: Adolf Reichwein (1898-1944), Pädagoge und Kulturpolitiker der Weimarer Republik, bewohnte das „Hexenhaus“ in Vitte als Sommersitz. 

http://www.norddeutsche-kuenstlerkolonien.de/cms/kunstlerkolonie-hiddensee/

 

Zielstellung für das geplante Medienwerkstatt-Projekt 2022: 

Das Projekt will sich generationenübergreifend fünf jüdischen Künstler*innen und dem Widerstandskämpfer Adolf Reichwein widmen, an die alle ein Stolperstein auf Hiddensee erinnert.

Geplant wird eine Reise mit fünf Schüler*innen der Neuköllner Förderschule Adolf-Reichwein-Schule zur Insel Hiddensee zusammen mit fünf ehemaligen FSJler*innen (junge Erwachsen zw. 17-22) des Vincentino e.V. und fünf Erwachsenen. Darunter ist Sabine Reichwein, Zeitzeugin und jüngste Tochter Reichweins, Matthias Schellenberger, Künstler und Mediendozent, der mit Schüler*innen seit 2017 eine stetige wachsende Wanderausstellung zu Adolf Reichwein erarbeitet, die auch auf der Insel präsentiert werden soll; Reiner Ulig, Sonderpädagoge und Ulla Giesler, Kuratorin der Programmreihe „Jüdische Lebenswelten in Berlin kennenlernen“. Unter den Schüler*innen und Alumini des Vincentino Vereins sind vorwiegend junge Menschen mit migrantischer Herkunft. Im Schulhalbjahr vor der Reise (Juni 2022) recherchieren Schüler*innen in wöchentlichen Workshops zu den Künstler*innen: Henni Lehmann, Clara Arnheim, Julie Wolfthorn, Käthe Löwenthal und Susanne Ritscher. Auf Hiddensee steht das "Hexenhäuschen", das Ferienhaus von Reichwein, das unter Denkmalschutz steht. Hier kommen die Workshopteilnehmer*innen mit Sabine Reichwein ins Gespräch, ebenso mit Feriengästen, die sie beim Stolpersteinputzen über die jüdischen Künstler*innen und Reichwein befragen und informieren. Die Interviews halten die Jugendlichen digital fest und bearbeiten sie in der Postproduktion. In den fünf Tagen besuchen alle gemeinsam einen Workshop der Malerin A. Laux, für einen aktuellen Bezug zur Kunst und der Tätigkeit der jüdischen Malerinnen und um selbst kreativ zu werden. So findet neben der Befassung mit der Lebensgeschichte Reichweins und jüdischen Künstler*innen, die durch das Nazi-Regime ermordet wurden, ein Generationenaustausch statt, innerhalb dessen die Teilnehmenden ihre verschiedenen Perspektiven einbringen.

Ziel des Projektes ist es, neben der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Geschichte Deutschlands die Perspektive des Aufständlers Adolf Reichwein zu beleuchten. Dies soll einerseits durch den Besuch der Wanderausstellung zu seiner Person geschehen, andererseits durch die persönliche Lebensgeschichte seiner Tochter Sabine Reichwein, die den Besuch begleiten wird. Außerdem recherchieren die Schüler*innen zu den jüdischen Künstler*innen, die ebenfalls durch die Nationalsozialisten ermordet oder in den Tod getrieben wurden und auf Hiddensee durch Stolpersteine geehrt werden. Das Projekt soll so aktiv gegen Antisemitismus und für die Vielfalt der Gesellschaft in Deutschland arbeiten.

Durch die Einbeziehung der Zeitzeugin Sabine Reichwein, der Dozent*innen von Vincentino, den FSJler*innen und den Schüler*innen entsteht ein generationsübergreifender Austausch und eine perspektivenreiche Auseinandersetzung mit dem Thema, die die Partizipierenden wie die Öffentlichkeit und Feriengäste anregen und bereichern wird.

Thematische Bezüge sind Antisemitismus, Auseinandersetzung mit historischen Orten und Personen, den heute eher vergessenen jüdischen Malerinnen, der historischen Familie Reichwein, eine Reise zu einer Zeitzeugin und dem historischen Ort Hiddensee sowie generationsübergreifender Austausch.

Das Format beinhaltet

1. eine Begegnungen mit der Zeitzeugin Sabine Reichwein (s.o.) auf der Insel Hiddensee, einen Besuch des Hexenhauses (s.o.) und Begegungen zwischen Schüler*innen und Passant*inne beim Putzen von Stolpersteinen, sowie in Interviewes, die die Teilnehmenden führen, bei der Eröffnung der Wanderausstellung,gemeinsam mit fünf Schüler*innen und FSJler*innen/Praktikant*innen von Vincentino und bei einem Kunstworkshop.

2. eine Recherche im schulischen Kontext (Februar-Juni) über jüdische Kuenstler*innen in Medienworkshops und der Ideenfindung, wie die Schicksale der sehr interessanten Künstler*innen noch mehr in den Fokus genommen werden kann.

Die Recherche in den Medienworkshops zu den jüdischen Kuenstler*innen im Vorfeld der Begegnungen auf der Insel Hiddensee mit Sabine Reichwein und vielen Passant*innen beim Stolperstein putzen und der Präsentation der Reichwein-Ausstellung soll im Zeitraum Februar-Juni 2022 stattfinden. Meilensteine sind dabei einerseits die mediale Gestaltung der Ergebnisse der Recherche der Schueler*innen und andererseits die Begegnung mit der Zeitzeugin und der gemeinsame Besuch des Hexenhauses und die Eröffnung der Wanderausstellung auf Hiddensee. Die Schüler*innen, jungen Erwachsenen und Begleiter*innen halten das Projekt in der Schule, auf der Reise und bei den Begegnungen medial durch Videos, Fotos und andere Formen von Beitraegen fest. Das ist ein großer fester Bestandteil des Medien- und Begegnungsprojekt.

Alle digitalen „Produkte“ werden auf Instagram gepostet auf https://www.instagram.com/juedische_lebenswelten/ https://www.instagram.com/vincentinoev/ und auf der Website von Vincentino http://www.vincentino.org/ veröffentlicht.

Außerdem werden durch die Eröffnung der Wanderausstellung über Adolf Reichwein, das Leben des Widerstandskämpfers während des Terrorregimes und die Erkenntnisse der Schüler*innen der Hiddenseer Öffentlichkeit zugänglich gemacht und die neuen medialen Ergebnisse werden in weiteren Schritten der Wanderausstellung begefügt. Weiter findet ein reger Austausch mit den Bewohner*innen und Besucher*innen der Insel statt, der sowohl weitere Zeitzeug*innen umfassen könnte, als auch jüngere und ältere Generationen einbeziehen kann. In vielen Fällen werden die medialen Ergebnisse in weiteren Medienworkshops mit Kindern und Jugendlichen thematisiert und weiter „verarbeitet“ und zum Beispiel auf Kinder-Medientagen uvm präsentiert. Oft sind wir auch Gast beim Wettbewerb „DenkMal“ im Abgeordnetenhaus Berlin. Zudem präsentiert Vincentino seine Workhop-Ergebnisse auf Schul- und Kiezfesten in Neukölln und den Mitgliedern, Förderern und Interessierten auf Veranstaltungen.

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Henni Lehmann & der Hiddenseer Künstlerinnenbund

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